Im Schiffchen
Japan trifft Frankreich in Düsseldorf Kaiserswerth - fast 40 Jahre kulinarische Spitze
Bericht: Sascha Perrone | Fotos: Sascha Perrone
- 05.10.2016 -
Nachdem die vergangenen Wochen voll im Zeichen des kulinarischen Heimspiels standen, fand ich es sei an der Zeit, meine "normale" kulinarische Reise durch die Düsseldorfer Gastronomie-Landschaft fortzusetzen. Als nächstes Ziel auf meiner Route habe ich mir dazu ein ganz besonderes Restaurant auserkoren, eines welches ich schon seit langer Zeit besuchen möchte: Jean-Claude Bourgueils Restaurant "Im Schiffchen". Das "Schiffchen" zählt zum elitären Kreis von lediglich vier Restaurants in NRW, welches die Auszeichnung von zwei Sternen im Guide Michelin inne hat. Entsprechend gespannt und voller Vorfreude macht ich mich also an einem Mittwochabend auf den Weg nach Kaiserswerth, einem der schönsten Düsseldorfer Stadtteile.
Das Schiffchen ist hier in der ersten Etage eines aus dem Jahr 1733 stammenden Barokhauses beheimatet und blickt auf eine lange und beeindruckende Historie zurück, denn im nächsten Jahr feiert Jean-Claude Bourgueil an dieser Stelle sein 40 jähriges Jubiläum, wovon sein Restaurant seit 33 Jahren mit mindestens zwei Sternen ausgezeichnet ist. Und als wäre dies nicht schon beeindruckend genug, führt Bourgueil seit 30Jahren im Erdgeschoss ein weiteres Restaurant, welches ebenfalls vom Guide Michelin ausgezeichnet ist - allerdings mit "lediglich" einem Stern.
Das Erdgeschoss scheint der kreative Ausgleich des Chef zu sein, denn er erfindet das Konzept immer wieder neu und lässt seiner Kreativität freien Lauf. So bot er in den 80er und 90er Jahren gehobene deutsche Küche im "Aalschokker", um das Restaurant in den 2000ern in "Jean-Claude's Bistro" bzw. später einfach nur "Jean-Claude" umzutaufen. Seit 2012 heißt das Restaurant "Enzo im Schiffchen" und bietet, wie der Name bereits erahnen lässt, italienische Küche. Eigentlich schade, dass das einzige italienische Restaurant, welches mit einem Stern ausgezeichnet ist, in der Verantwortung eines französischen Küchenchefs liegt - wenn ich dies, als kleine Motivation für "meine Italiener" einmal anmerken darf :-)
Um kurz vor 19 Uhr biege ich in die historisch anmutende Zielstraße ein, welcher ich bis fast zum Ende folge, um vor dem, wie Bourgueil sagt "schönsten Haus von Kaiserswerth" zu halten. Ich habe Glück und erwische einen Parkplatz direkt vor dem Haus. Für alle nach mir Ankommenden die nicht so viel Glück haben, steht praktischerweise ein Wagenmeister bereit, in dessen Obhut man sein Auto geben kann.
Der Empfang am Eingang ist förmlich, aber herzlich und ich werde, vorbei am "Enzo" in welches ich einen kurzes Blick werfe, hinauf in die erste Etage zu einem für mich reservierten und elegant in Weiß eingedeckten Tisch am Fenster geführt. Als Teil der Tischdeko erwartet mich ein zusammengerolltes und mit einer Schleife gebundenes Blatt Papier, welches das aktuelle Menü offeriert.
Das Menü von Jean-Claude Bourgueil steht immer unter einem regelmäßig wechselnden Motto. Lautete es zuletzt noch "Nach der Lima-Reise", was Einflüsse aus der peruanischen Küche wiederspiegelte, wird beim aktuellen Menü das Thema "Japan" aufgegriffen, was ich sehr spannend finde. Neben dem Menü werden auch noch einige von Bourgueils Klassikern oder Nachzüglern der Lima-Reise à la carte angeboten.
Ich möchte natürlich so viel wie möglich probieren und entscheide mich daher für das Menü inkl. Weinbegleitung, wobei ich mit einem alkoholfreien Aperitif in den Abend starte.
Los geht es mit dem Prologue in die Varianten
I. "Nachahmung Japans"
Hierbei werden zwei knusprige Pommes Souffles, welche gekrönt sind mit einer Scheckencreme und Keta Kaviar, auf einem Boden aus schwarzem Salz angerichtet, welches den vulkanischen Boden Japans symbolisieren soll.
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Neben diesen appetitmachenden Häppchen wird außerdem selbstgebackenes Brot und die "beste Butter Frankreichs" aufgetischt.
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II. "Tempura Inversus"
Dieser Gruß aus der Küche wird in zwei "Gängen" serviert. Zuerst die in Tempura ausgebackene Soft-Shell-Crab, auch Butterkrebs genannt, welche von einer Velouté vom Stör begleitet wird. Der Krebs macht seinem Namen hierbei wirklich alle Ehre, denn er ist butterzart und bildet einen tollen Kontrast zu dem knusprigen Teig. Den zweiten Gang bilden dann die Gänseleber im Tempura, welche herrlich mit der Süße einer Pflaumencreme harmoniert.
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III. "Pazifische Felsen-Auster/Rauch-Espuma"
Auch dieser dritte Gruß vom Chef macht Lust auf mehr. Das Raucharoma kommt dezent zur Geltung und wird durch den Geschmack von Wakame-Algen toll abgerundet.
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Nun beginnt das eigentliche Menü mit
"Millefeuille von der Gänseleber, Würzbirne und Matchatee"
symbolisch am Fuße des Fujiyama serviert. Die Süße passt wunderbar zur Gänseleber, welche übrigens von einer ausgezeichneten Qualität ist und selbst mir, der nicht so ein riesengroßer Fan davon ist, hervorragend schmeckt.
Dazu gereicht wird ein 1986er Torcolato aus der Region Veneto. Bei diesem feinen, süßen Wein werden die Trauben im Herbst zum Trocken aufgehängt, um dann im Januar, wenn sie schon aussehen wie Rosinen, gepresst zu werden. Passt wunderbar zur Gänseleber.
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Es geht weiter mit
"Maguro, Ananasspiegel, Seltener Seetang"
wobei es sich um ein Sashimi vom Thunfisch und der Makrele handelt, welche sehr schön mit der Süße der geleeartigen Ananas korrespondieren.
Dazu gibt es einen 2015er Riesling Kabinett vom Weingut Reichsgraf von Kesselstatt, den Restaurantleiter Robin Seyler in Gedenken an, die vergangenen Montag verstorbene, Annegret Reh-Gartner, Leiterin des Weinguts, ausschenkt. Eine tolle Geste wie ich finde.
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Das Menü geht weiter mit
"Großer Kaisergranat, Maki und Chutney von der Yuzu-Zitrone"
Anstatt Reis wird bei dem Maki eine Farce vom Hummer verwendet. Ein tolles Zusammenspiel von Süße und Säure.
Dazu passt ein herrlich leichter und unkomplizierter 2014er Pinot Blanc von der Domaine Josmeyer.
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Es folgt
"Umami vom Seewolfbarsch, Kombu-Dashi, Perlgraupen, Unagi und Wakamé"
Dazu werden drei Sorten hausgebackene Brötchen angeboten.
Dazu gibt es mit dem Brasi Catarratto einen kräftigen Sizilianer, welchen man auf der italienischen Insel gar nicht vermuten würde.
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Der nächste Gang lautet
"Was von Okinawa übrig blieb"
Damit meint Bourgueil das, was ihm auf seiner Reise davon in Erinnerung blieb, was auf dem Teller als ein Cannelloni gefüllt mit schwarzem Schwein, neben einem Gurken-Seetang-Salat mit Meerettich dargeboten wird. Karamellisiert wurde das Ganze mit Okinawa-Zucker, welcher aufgrund der geografischen Nähe eine ganz besonders "weiche" Konsistenz aufweist.
Bei mir blieb an diesem Abend von Okinawa gar nichts mehr übrig :-)
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Als nächster Gang folgte
"Gebratenes Filet vom Wagyu-Rind, Zucht von John Stone, glasierter Daikon, schwarzer Knoblauch und Auberginen-Miso"
Das Wagyu war hierbei von einer großartigen Konsistenz, unglaublich zart und es schmilzt fast im Mund.
Der dazu gereichte 2012er Chateau du Roc gefiel mir sehr gut.
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Weiter ging es mit
"Sukiyaki vom Kagoshima-Wagyu"
Das Fleisch wurde hierbei von Pilzen und Gemüsen begleitet und war so unglaublich zart, das ein leichtes Anstupsen mit der Gabel ausreichte um es zu "schneiden".
Als Wein folgte auf Rot wieder Weiß, 2015er von der Loire, welcher super zu der Soße passte.
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Es folgt der süße Abschluss
"Caldera Me Akan, Bitter-salzig, Kakao Grand Cru". Eigentlich total einfach, drei Mal Schokolade, aber so unglaublich gut. Gereicht wurde ein "Raviolo"
gefüllt mit schwarzer Olive, Aprikose, Haselnuss, Paprika, Ingwer der in die "flüssige Lava des Vulkans" getaucht eine wahre Geschmacksexplosion hervorrief. Dazu noch ein mit Pernot verfeinertes Schoko-Sorbet begleitet von Azina Kresse. WOW!
Dazu wurde ein verdammt leckerer 2007er Portwein gereicht.
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Dem süßen Abschluss folgte noch ein Epilogue in drei Varianten:
Momo-Mochi
Macalons und Gyoza
Cocktail auf Sakegranite, Pfirsischsorbet und Mandel-Joghurt-Tofu
Mein Fazit:
Es war ein großartiger Abend und eines der spannendsten Menüs, die ich in diesem Jahr gegessen habe. Der japanische Einfluss in die französische Küche ist Jean-Claude Bourgueil sehr gut gelungen - eine tolle Mischung aus Kreativität und Innovation ohne die eigene Linie aus den Augen zu verlieren. Vor solch einer Kochkunst, auf diesem TOP Niveau und über einen Zeitraum von 40 Jahren kann man einfach nur den Hut ziehen.
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